Einen wissenschaftlichen Ansatz muss Caspar Dohmen nicht verfolgen. Das tut er auch nicht. Caspar Dohmen ist Journalist. Und hat eine klare Meinung. Diese Meinung zeigt sich auf jeder Seite des noch 2021 im Verlag Klaus Wagenbach erschienenen Buchs, dessen Brisanz sich im Titel zunächst nicht zeigt: „Lieferketten“ – das hört sich nach einem Grundlagenbuch zum Supply Chain Management an, vielleicht angereichert mit vielen Beispielen. Etwas unscheinbar kommt der Untertitel im rechten unteren Bereich des Covers daher, aber dieser Untertitel verrät weit mehr über den Inhalt des Buches: „Risiken globaler Arbeitsteilung für Mensch und Natur“. Es geht um Arbeitsbedingungen in Lieferketten, und es geht um die Auswirkungen auf die Umwelt, die von Lieferketten ausgehen. Das sind die Themen, die häufig unter sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit subsummiert werden. Und es sind die Themen, deren Bedeutung stetig steigt.
Caspar Dohmen ist kein Wissenschaftler, und deswegen muss er nicht ergebnisoffen analysieren und diskutieren. Er ist, wie gesagt, Journalist mit klarer Meinung. (Spoiler-Alarm: Dohmen setzt stark auf Regulierung, um das Marktversagen zu beheben.) Das ganze Buch dient dazu, diese Meinung durch einen argumentativen roten Faden zu stützen. Im ersten Viertel des Buches beschreibt der Autor die Mechanismen globaler Arbeitsteilung – und damit die Grundlage von Supply Chains. Er unterfüttert seine Aussagen nicht nur hier, sondern auch in den nachfolgenden Kapiteln mit vielen Beispielen, die seine Aussagen veranschaulichen. Anschließend geht der Verfasser auf die Rolle ein, die Staaten für Supply Chains spielen, beispielsweise durch inner- und zwischenstaatliche Abkommen). Das dritte Kapitel widmet sich unter anderem dem CSR-Ansatz und zeigt die aus Dohmens Sicht geringe Effektivität derartiger freiwilliger Ansätze auf. Kern der vierten Kapitels sind Möglichkeiten und Grenzen fairer Lieferketten. Im fünften Kapitel analysiert Dohmen unterschiedliche rechtliche Regelungen, mit denen möglichst gute Arbeitsbedingungen und/oder geringe Umweltauswirkungen gesichert werden sollen und bewertet ihre Wirksamkeit. Im sechsten und letzten Kapitel des 160 Seiten starken Buchs zeigt der Autor seine Idee für faire und saubere Lieferketten auf.
Sollte man das Buch gelesen haben? Ein uneingeschränktes „Ja“! Das Buch ist wichtig. Es ist wichtig, weil es zwar keine wissenschaftlich-offene Analyse bietet, sondern eine klare Meinung vertritt. Und genau diese Meinung, die allerdings gut begründet ist, macht es als Diskussionsgrundlage unbedingt lesenswert. Es ist – trotz der vielen Beispiele, die Missstände aufzeigen – auch ein Plädoyer dafür, wie Lieferketten sinnvoll gestaltet werden könnten.