Resilienz in Lieferketten? Einige Fortschritte und weiterhin Luft nach oben

Resilienz – das neue Zauberwort in gefühlt jedem Lebensbereich. Alles muss resilient sein: Wir sollten resilient sein, die Natur ist resilient, vermutlich ist die Glühbirne über dem Küchentisch auch resilient – und natürlich sollten es Lieferketten auch sein. Ob sie aber wirklich so resilient sind, wie man sich das wünscht? Und welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf das Resilienzniveau von Supply Chains ausgeübt?

Wir wollten es wissen: Wir – das sind der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) und ich. Gemeinsam haben wir im Frühjahr 2024 die „BME-Logistikstudie 2024“ aufgesetzt, die sich mit Risikomanagement und Resilienz in Supply Chains beschäftigen sollte. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Studie, die exklusiv auf dem 59. BME-Symposium in Berlin präsentiert wurde, stelle ich Ihnen in diesem Blogbeitrag vor. (Zur Info: Hier die offizielle Pressemitteilung des BME zur BME-Logistikstudie 2024: https://www.bme.de/news/bme-logistikstudie-2024:-lieferketten-noch-nicht-resilient-genug.)

Bei der Ausgestaltung und Professionalisierung des SCRM ist noch Luft nach oben – vor allem bei kleineren Unternehmen

Ein wichtiger Aspekt im Rahmen unserer Untersuchung war die Frage, wie reif das Supply Chain Risk Management (SCRM) bei den teilnehmenden Unternehmen ist. Dabei haben wir ein Reifegrafmodell genutzt, das vier Erfolgsfaktoren für Risikomanagement verwendet: Die Risikokultur, die Risikoorganisation, den Risikoprozess und die eingesetzten Methoden. Das Modell unterscheidet fünf Reifegradstufen: Die erste Stufe bildet den niedrigsten Reifegrad ab und die fünfte Stufe den höchsten. In der aktuellen Umfrage gab es kein Unternehmen, das insgesamt den höchsten Reifegrad für sein SCRM reklamieren kann. Etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen ist ordentlich aufgestellt; diese Unternehmen weisen einen Reifegrad auf der dritten oder vierten Stufe auf. Knapp die Hälfte jedoch hat deutlich Luft nach oben, bei ihnen steckt das SCRM noch in den Kinderschuhen, das heißt: bewegt sich auf den ersten beiden Stufen.

Abbildung 1: Reifegrad des SCRM nach Unternehmensgröße (Quelle: BME-Logistikstudie 2024: Risikomanagement und Resilienz in Supply Chains)

Wenn man die Unternehmensgröße berücksichtigt, sind erhebliche Unterschiede auszumachen, wie Abbildung 1 verdeutlicht. Große Unternehmen (in der Umfrage Unternehmen mit einem Jahresumsatz von > 250 Millionen EUR) weisen einen deutlich höheren Reifegrad auf als kleinere Unternehmen. Der durchschnittliche Reifegrad von großen Unternehmen beträgt 3,0, während sowohl die kleinen Unternehmen (bis 50 Mio. EUR Jahresumsatz) und die mittleren Unternehmen (bis 250 Mio. EUR Jahresumsatz) nur auf einen durchschnittlichen Reifegrad von jeweils 2,2 kommen. Große Unternehmen sind damit deutlich professioneller aufgestellt als kleinere Unternehmen. Diese Beobachtung wird nicht durch einen einzigen der vier Erfolgsfaktoren determiniert – im Gegenteil: ein derartiges Bild zeigt sich bei allen vier Erfolgsfaktoren (Kultur, Organisation, Prozess, Methoden). Das Ergebnis kann auch überraschen, weil es doch Erfolgsfaktoren gibt, bei denen man kleineren Unternehmen aufgrund ihrer Unternehmensgröße zutraut, leichter ein höheres Ergebnis zu erreichen, beispielsweise bei der Risikokultur. Das scheint jedoch – zumindest aufgrund der erfassten Daten – nicht der Fall zu sein.

Resilienz ist inzwischen bei den Unternehmen als wichtiges Thema angekommen

Wie hat sich das Thema Resilienz entwickelt? Dazu möchte ich zwei Ergebnisse anführen. Auf der einen Seite interessierte uns, welchen Stellenwert das Thema Resilienz der Lieferketten vor Beginn der Corona-Pandemie im Unternehmen hatte und inwieweit sich diese Bedeutung nach wesentlichen Störereignissen wie der Corona-Pandemie, aber auch der Blockade im Suezkanal (2021) und dem Beginn des Krieges in der Ukraine (2022) möglicherweise gewandelt hat.

Abbildung 2: Entwicklung der Bedeutung von Resilienz in Lieferketten (Quelle: BME-Logistikstudie 2024: Risikomanagement und Resilienz in Supply Chains)

Die Antworten der Unternehmen sprechen eine eindeutige Sprache, wobei berücksichtigt werden muss, dass die Angaben zum Stellenwert der Resilienz vor der Pandemie auch im Rahmen der aktuellen Umfrage erhoben und damit ex post getroffen wurden (siehe dazu Abbildung 2):

  • Während vor Beginn der Pandemie nur 9 % der Unternehmen dem Thema Resilienz eine hohe oder sehr hohe Priorität zuwiesen, stieg dieser Anteil zum Zeitpunkt der Befragung im 2. Quartal 2024 auf 45 %. Beinahe die Hälfte der Unternehmen sehen Resilienz in der Lieferkette inzwischen als absolut wichtiges Thema an.
  • Dementsprechend ging auch der Anteil der Unternehmen deutlich zurück, die Resilienz nur eine geringe oder gar keine Bedeutung zumessen, und zwar von 60 % vor Beginn der Corona-Pandemie auf 25 % im Frühjahr/Sommer 2024.

Die Störereignisse der vergangenen Jahre haben zu einer deutlichen Steigerung der wahrgenommenen Resilienz geführt

Damit verbunden ist ein deutlicher Anstieg der wahrgenommenen Resilienz der eigenen Inbound- und Outbound-Lieferketten. „Wahrgenommene Resilienz“ bedeutet die Einschätzung der Resilienz durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Eine konkrete Messung „der Resilienz“ war nicht möglich, weswegen die wahrgenommene Resilienz ein aus unserer Sicht guter Indikator war.

Abbildung 3: Entwicklung der Resilienz von Inbound-Lieferketten (Quelle: BME-Logistikstudie 2024: Risikomanagement und Resilienz in Supply Chains)

Auch hier sind die Ergebnisse eindeutig, wie sich am Beispiel der Inbound-Supply-Chains in Abbildung 3 zeigt, also derjenigen Lieferketten, die von den Lieferanten (und den Lieferanten der Lieferanten usw.) ins eigene Unternehmen führen:

  • Während weit über 40 % der Teilnehmenden ihre Inbound-Lieferketten vor der Pandemie als wenig oder gar nicht resilient ansahen, hat sich dieser Anteil mehr als halbiert: nur noch 17 % der Unternehmen sind dieser Meinung.
  • Auf der anderen Seite sahen nur 22 % der Unternehmen ihre Lieferketten vor der Pandemie als resilient oder sehr resilient an. Dieser Anteil hat sich verdoppelt. Inzwischen sehen also 44 % der Teilnehmenden ihre Inbound-Supply-Chains als resilient an. Auch hier gibt es Unterschiede aufgrund der Unternehmensgröße, die aber weniger gravierend sind, als dies beim Reifegrad der Fall war.

Einige Fortschritte in den vergangenen Jahren erkennbar

Während die Ergebnisse zum Reifegrad doch noch viel Luft nach oben aufzeigen, insbesondere bei kleineren Unternehmen, zeigen die Ergebnisse zur Bedeutung der Resilienz, aber auch zur wahrgenommenen Resilienz positive Entwicklungen auf. Die Bedeutung des Themas Resilienz ist deutlich gestiegen, und die Unternehmen haben – vermutlich zwangsläufig und aus der Not geboren – erheblich dazugelernt und einiges getan, damit ihre Lieferketten externe Störereignisse besser verkraften können als bisher.

Alle Ergebnisse der Umfrage sind in der kürzlich erschienenen „BME-Logistikstudie 2024: Risikomanagement und Resilienz in Supply Chains“ ausführlich dargestellt und dokumentiert. Die BME-Logistikstudie steht auf der Internet-Seite des BME als kostenloser Download zur Verfügung: https://www.bme.de/fachinformationen/bme-logistikstudie-2024/.

Selbstverständlich freuen sich der BME und ich über Feedback zur Studie.

Wieder da – ein sehr persönlicher Post

Liebe Leserin, lieber Leser,

eine lange Zeit war ich verschwunden, weg vom Fenster, offline, einfach nicht ansprechbar, auch unsichtbar. Das hatte seinen Grund. Ich war sehr krank.

Nun bin ich zurück. Voller Kraft. Voller Energie. Voller Motivation. Und gleichzeitig voller Dankbarkeit. Und mit einer gewissen Entspanntheit.

Jessica Baier, Redakteurin der Fuldaer Zeitung, hat ein langes Gespräch mit mir geführt und einen tollen, intensiven und emotionalen Artikel geschrieben. Ihn nutze ich als kleinen Rückblick, aber auch für Sie als Erklärung, warum ich schlicht eine Weile nicht da war.

Herzliche Grüße,

Ihr Michael Huth

 

Buchempfehlung: Dohmen – Lieferketten (Risiken globaler Arbeitsteilung für Mensch und Natur)

Einen wissenschaftlichen Ansatz muss Caspar Dohmen nicht verfolgen. Das tut er auch nicht. Caspar Dohmen ist Journalist. Und hat eine klare Meinung. Diese Meinung zeigt sich auf jeder Seite des noch 2021 im Verlag Klaus Wagenbach erschienenen Buchs, dessen Brisanz sich im Titel zunächst nicht zeigt: „Lieferketten“ – das hört sich nach einem Grundlagenbuch zum Supply Chain Management an, vielleicht angereichert mit vielen Beispielen. Etwas unscheinbar kommt der Untertitel im rechten unteren Bereich des Covers daher, aber dieser Untertitel verrät weit mehr über den Inhalt des Buches: „Risiken globaler Arbeitsteilung für Mensch und Natur“. Es geht um Arbeitsbedingungen in Lieferketten, und es geht um die Auswirkungen auf die Umwelt, die von Lieferketten ausgehen. Das sind die Themen, die häufig unter sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit subsummiert werden. Und es sind die Themen, deren Bedeutung stetig steigt.

Caspar Dohmen ist kein Wissenschaftler, und deswegen muss er nicht ergebnisoffen analysieren und diskutieren. Er ist, wie gesagt, Journalist mit klarer Meinung. (Spoiler-Alarm: Dohmen setzt stark auf Regulierung, um das Marktversagen zu beheben.) Das ganze Buch dient dazu, diese Meinung durch einen argumentativen roten Faden zu stützen. Im ersten Viertel des Buches beschreibt der Autor die Mechanismen globaler Arbeitsteilung – und damit die Grundlage von Supply Chains. Er unterfüttert seine Aussagen nicht nur hier, sondern auch in den nachfolgenden Kapiteln mit vielen Beispielen, die seine Aussagen veranschaulichen. Anschließend geht der Verfasser auf die Rolle ein, die Staaten für Supply Chains spielen, beispielsweise durch inner- und zwischenstaatliche Abkommen). Das dritte Kapitel widmet sich unter anderem dem CSR-Ansatz und zeigt die aus Dohmens Sicht geringe Effektivität derartiger freiwilliger Ansätze auf. Kern der vierten Kapitels sind Möglichkeiten und Grenzen fairer Lieferketten. Im fünften Kapitel analysiert Dohmen unterschiedliche rechtliche Regelungen, mit denen möglichst gute Arbeitsbedingungen und/oder geringe Umweltauswirkungen gesichert werden sollen und bewertet ihre Wirksamkeit. Im sechsten und letzten Kapitel des 160 Seiten starken Buchs zeigt der Autor seine Idee für faire und saubere Lieferketten auf.

Sollte man das Buch gelesen haben? Ein uneingeschränktes „Ja“! Das Buch ist wichtig. Es ist wichtig, weil es zwar keine wissenschaftlich-offene Analyse bietet, sondern eine klare Meinung vertritt. Und genau diese Meinung, die allerdings gut begründet ist, macht es als Diskussionsgrundlage unbedingt lesenswert. Es ist – trotz der vielen Beispiele, die Missstände aufzeigen – auch ein Plädoyer dafür, wie Lieferketten sinnvoll gestaltet werden könnten.

Caspar Dohmen: Lieferketten – Risiken globaler Arbeitsteilung für Mensch und Natur, erschienen 2021 im Verlag Klaus Wagenbach. Preis: 18 EUR.

1. April – oder: die Logistik-Limericks

Es ist der 1. April 2020. Die Corona-Pandemie beherrscht einen Großteil unseres Lebens. Und dennoch – ein kleiner Aprilscherz muss auch in Zeiten von Corona, Heimarbeit und „social distancing“ sein.

Also wollte ich die Studierenden unseres Fachbereichs locken – natürlich nur virtuell. Wie geht das? Am besten mit leichtverdienten Credits. Also setzte ich in unserem internen Kurssystem einen neuen „Online-Intensivkurs Logistik“ auf, damit mein „Lockruf“ auch einen seriösen Hintergrund erhält. Dann schrieb ich auf der Start-Seite unseres Kurssystems folgende Nachricht:

Das Lockmittel wirkte. Denn es dauerte nicht lange, bis ich die ersten „Bewerbungen“ erhielt. Wie schön, wieviel Mühe und Ideen unsere Studierenden für ihre Limericks verwandt haben – ich bin begeistert! Hier die besten Ergebnisse (wobei sämtliche Copyrights bei den Autoren der Limericks liegen):

Von Fulda ins irischen Limerick
Könnte enden in größter Hektik,
doch dank der Vogel‘schen Approximationsmethode
finden wir schnell den Weg, der soll kommen in Mode
und mehr will ich lernen über die Thematik.

(Luise B.)

Purchasing, storing, shipping.
Last mile delivery is the challenge we’ll never be skipping.
Amazon delivers everything from A to Z,
your Postman is your retailer, how can that be?
Love it or hate it but clever Logistics prevents the Supply chain from ripping.
(Moritz K.)

Bei der Netzplantechnik wird’s ziemlich bunt,
denn der kritische Pfad ist niemals rund,
und die FAZ ist hier keine regionale Zeitung,
mit einer kritischen Meinung,
sondern der früheste Anfangszeitpunkt.
(Zeynep Ceren K.)

Ein Zirkus der Artistik
Die Sicherstellung von Transport und Lagerung sind hier die nötige Dynamik
Doch durch Planung und Steuerung
Kommt es immer mehr zur Impulserneuerung
Durchführung und Kontrolle ist die obligatorische Taktik
(Cindylee M.)

Ich nehme meine Pakete nun an der Haustüre entgegen,
Denn in dieser Zeit unnötig rauszugehen ist wirklich daneben.
Ohne Logistik, da läuft nicht viel,
Durch Sie findet jedes Paket stets das richtige Ziel
Das wir alle gesund bleiben, ist unser aller höchstes Bestreben.
(Fabian H.)

Man sagt, die Ware kommt aus China
und landet in South Carolina
wie das ganze funktioniert
fand ich schon immer höchst inspirierend!
Der Insivkurs hilft mir bei und wird die Ware schon in Herzegowina!
(Diana P.)

Logistik ist wichtig für den Erfolg
Weshalb Wertschöpfung intensiv geplant werden sollt‘
Der Virus Corona unterstreicht dies deutlich Lieferengpässe überall – abscheulich
Weshalb ich noch mehr über Lieferketten lernen wollt‘
(Tabea H.)

Dank Logistik ist doch klar
Laufen alle Geschäfte wunderbar
Man kann so manchen Engpass glätten
Und somit die Bevölkerung durch Klopapier und Nudeln retten
Das Alles bietet Edeka
(Carolin R.)

Sind da nicht tolle Ideen dabei gewesen? Ich finde schon.

Damit es auch für meine Studierenden eine Auflösung gab, schrieb ich alle Bewerberinnen und Bewerber in den Kurs ein. Damit konnten Sie dann folgende Nachricht lesen:

Digitalisierung in Supply Chains? Noch in den Kinderschuhen.

Nutzen Supply Chain Manager bereits die ganze Bandbreite neuster Technologien zur Digitalisierung ihrer Lieferketten? Sind Sie fit genug für das Internet der Dinge? Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) und Hochschule Fulda haben darauf die passenden Antworten gesucht.

Gemeinsam mit Carsten Knauer vom BME sowie unterstützt von Tobias Ruf, einem Studenten im Master-Studiengang „Supply Chain Management“, wurden im Herbst 2018 Managerinnen und Manager aus den Bereichen Supply Chain, Logistik, Einkauf und Beschaffung befragt. 251 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie 12 Interviewpartner in Expertengesprächen trugen dazu bei, ein möglichst umfassendes Bild zur Anwendung von ausgewählten Digitalisierungstechnologien in Supply Chains zu erhalten. Grundlage für die Befragung waren 15 unterschiedliche Technologien, die auf Basis des Gartner Hype Cycles und dem DHL Trend Radar ausgewählt wurden.

Durchschnittlich nur knapp 9 Technologien bekannt

Bereits die Frage nach dem Bekanntheitsgrad der ausgewählten Digitalisierungstechnologien birgt Überraschungen: So sind zwar einige Technologien einem Großteil der Befragten „gut bekannt“. Aber bereits bei Blockchain, einem der Hype-Themen in den vergangenen 18 Monaten, ist der Bekanntheitsgrad gering: Weniger als die Hälfte der Teilnehmer kennt Blockchain als Digitalisierungstechnologie „gut“. Ähnlich überraschend ist das Ergebnis für Digital Identifiers, beispielsweise RFID. Bei spezifischen Technologien ist der niedrige Bekanntheitsgrad dagegen nicht erstaunlich. Durchschnittlich kennen die Befragten knapp 9 Technologien „gut“, wobei Teilnehmer von Großunternehmen ein umfassenderes Know-how aufweisen als diejenigen von kleinen Unternehmen.

Bekanntheitsgrad von Digitalisierungstechnologien (Quelle: Huth/Knauer/Ruf: BME-Logistikumfrage: Digitalisierung in Supply Chains, Eschborn 2019)

Cloud Computing, Roboter und Automatisierung, Big Data Analytics – und dann die große Lücke..

Neben dem Bekanntheitsgrad interessiert vor allem die derzeitige Nutzung der Digitalisierungstechnologien. Dabei wird deutlich: Drei Technologien werden häufig genutzt – und die anderen nur von einem teilweise verschwindend geringen Anteil der Unternehmen eingesetzt.

Derzeitige Nutzung ausgewählter Digitalisierungsstrategien (Quelle: Huth/Knauer/Ruf: BME-Logistikumfrage: Digitalisierung in Supply Chains, Eschborn 2019)

Cloud Computing, Roboter und Automatisierung sowie – mit Abstrichen – Big Data Analytics – sind die Technologien, die am weitreichendsten eingesetzt werden. Überraschend ist, dass sämtliche anderen Digitalisierungstechnologien von 18 % oder weniger der Teilnehmer, die die Technologie kennen, genutzt werden. Interessant ist weiterhin, dass bei 11 Technologien mehr als 40 % der Befragten keine Relevanz für das eigene Unternehmen sehen.

Bei den meisten Technologien dominieren im Übrigen die Großunternehmen – sie nutzen Digitalisierung derzeit deutlich intensiver, als dies KMU tun.

Viele Nutzenpotenziale und kaum negative Erfahrungen

Eines der wichtigen Entscheidungskriterien für den Einsatz von Digitalisierungstechnologien sind die erwarteten Nutzen und die damit verbundenen Kosten. Während häufig die Kosten (einigermaßen) gut abschätzbar sind, ist dies bei den Nutzenpotenzialen deutlich schwieriger und gleicht oftmals dem Blick in eine Glaskugel. Die Ergebnisse der BME-Logistikumfrage zeigen aber, dass die bisherigen Erfahrungen der Unternehmen mit dem Einsatz von Digitalisierungstechnologien sehr positiv sind.

Erfahrungen mit ausgewählten Digitalisierungstechnologien (Quelle: Huth/Knauer/Ruf: BME-Logistikumfrage: Digitalisierung in Supply Chains, Eschborn 2019)

Die obige Abbildung ist zeilenweise zu lesen. Dabei wird deutlich, dass Unternehmen vor allem die Kosteneinsparungen sowie die Zeitgewinne, die sich durch den Einsatz bestimmter Technologien ergeben, schätzen. Einzelne Technologien führen auch zu besonders bemerkenswerten Qualitätsverbesserungen.

Gleichzeitig machten die Unternehmen bisher kaum negative Erfahrungen. Einzig im Bereich der Wearables waren rund 11 % weniger zufrieden mit den Resultaten.

Deutlich zunehmende Nutzung innerhalb der nächsten Jahre zu erwarten

Trotz des derzeit noch recht überschaubaren Anwendungsstandes sieht die Zukunft deutlich positiver aus: Die Unternehmen planen eine deutliche Ausweitung der Aktivitäten im Bereich Digitalisierung.

Geplanter Einsatz ausgewählter Digitalisierungstechnologien (Quelle: Huth/Knauer/Ruf: BME-Logistikumfrage: Digitalisierung in Supply Chains, Eschborn 2019)

Zwar sind die bisher am intensivsten genutzten Technologien (Cloud Computing, Roboter und Automatisierung sowie Big Data Analytics) weiterhin „führend“, aber die Anwendung vieler anderer Technologien wird deutlich ausgeweitet. Dies betrifft vor allem das Internet of Things sowie den Einsatz von Sensoren und digitalen Identsystemen, aber auch die Nutzung von künstlicher Intelligenz.

Breite Anwendungsmöglichkeiten von Digitalisierungstechnologien

Wenn der zukünftige Anwendungsbereich von Digitalisierungstechnologien innerhalb von Supply Chains betrachtet wird, zeigen vor allem Big Data Analytics, Cloud Computing, das Internet of Things sowie künstliche Intelligenz, dass sie breite Anwendungsmöglichkeiten bieten.

Einsatzbreite ausgewählter Digitalisierungstechnologien (Quelle: Huth/Knauer/Ruf: BME-Logistikumfrage: Digitalisierung in Supply Chains, Eschborn 2019)

Für ausgewählte Digitalisierungstechnologien wurde erhoben, in wieviel unterschiedlichen Prozessen auf der obersten Ebene des SCOR-Modells (Supply Chain Operations Reference Model) sie laut Angaben der Befragten eingesetzt werden sollen. Die Einsatzbreite wird – im Vergleich zur derzeitigen Anwendung – bei allen Technologien ausgeweitet, zum Teil sogar sehr deutlich.

Angaben zur Studie

Huth, M./Knauer, C./Ruf, T.: BME-Logistikumfrage: Digitalisierung in Supply Chains, Eschborn 2019.

Die Studie steht auf der Internet-Seite des BME als kostenfreier Download zur Verfügung: http://www.bme.de/Digitalisierung_in_Supply_Chains

Gehaltssituation und -aussichten für Absolvent*innen im Bereich Logistik und SCM

Die Gehaltsreports der StepStone GmbH geben eine gute Übersicht über die Aussichten für Absolvent*innen in den Bereichen Logistik und SCM.

Gender-Ungerechtigkeit bei den Durchschnittsgehältern

Abbildung 1: Brutto-Durchschnittsgehalt für Einsteiger (Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten in StepStone GmbH (2018): StepStone Gehaltsreport für Absolventen 2018/2019, Düsseldorf, URL: https://www.stepstone.de/Ueber-StepStone/wp-content/uploads/2018/08/StepStone_Gehaltsreport-f%C3%BCr-Absolventen-18.19_Webversion.pdf)

Berufseinsteiger, mit denen Personen innerhalb der ersten zwei Jahre nach ihrem Studienabschluss gemeint sind, können in Einkauf, Logistik und SCM ein durchschnittliches Brutto-Jahresgehalt von rund 45.000 EUR erzielen (vgl. Abbildung 1). Eine Gender-Ungerechtigkeit bezüglich des Gehalts ist auch im Bereich Logistik und SCM noch vorhanden, nimmt allerdings ab. So verdienen Einsteigerinnen durchschnittlich 8,9 % weniger als ihre männlichen Pendants. (Bei den Fach- und Führungskräften ist das Gehaltsgefälle allerdings noch höher – dort verdienen Frau durchschnittlich 17,6 % weniger als Männer.)

Unterschiedliche Gehaltsaussichten sind auch mit der Unternehmesgröße verbunden. So bieten Unternehmen ab 1000 Mitarbeiter*innen ein durchschnittlich 19,7 % höheres Gehalt als kleine Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten.

22 % mehr in der Automobilbranche

Abbildung 2: Brutto-Durchschnittsgehalt für Einsteiger nach Branchen (Quelle: StepStone GmbH (2018): StepStone Gehaltsreport für Absolventen 2018/2019, Düsseldorf, URL: https://www.stepstone.de/Ueber-StepStone/wp-content/uploads/2018/08/StepStone_Gehaltsreport-f%C3%BCr-Absolventen-18.19_Webversion.pdf)

Nicht uninteressant ist eine Branchenbetrachtung: Immerhin kann man in der Branche mit dem höchsten Einkommensniveau – dem Fahrzeugbau und der dazugehörigen Zulieferindustrie – durchschnittlich 21,9 % mehr verdienen als in der Branche mit dem niedrigsten Gehaltsniveau (Nahrungs- und Genussmittel). Abbildung 2 zeigt eine Übersicht über die Einstiegsgehälter in unterschiedlichen Branchen.

Bachelor- oder Master-Abschluss?

Abbildung 3: Brutto-Durchschnittsgehalt für Einsteiger nach Funktion und Studienabschluss (Quelle: StepStone GmbH (2018): StepStone Gehaltsreport für Absolventen 2018/2019, Düsseldorf, URL: https://www.stepstone.de/Ueber-StepStone/wp-content/uploads/2018/08/StepStone_Gehaltsreport-f%C3%BCr-Absolventen-18.19_Webversion.pdf)

Für Studierende stellt sich oftmals die Frage, ob man nach einem Bachelor-Studium in ein Unternehmen einsteigen sollte oder ob man anschließend noch ein Master-Studium absolvieren sollte. Interessanterweise sind die Gehaltsunterschiede in drei der vier Funktionen relativ gering: Hier bietet ein Master-Abschluss die Möglichkeit, durchschnittlich maximal 12,9 % mehr zu verdienen (vgl. Abbildung 3). Im Bereich Distributions- und Transportlogistik ist der Gehaltsunterschied allerdings erheblich: Master-Absolvent*innen können durchnittlich ein 32,0 % höheres Gehalt erreichen als „nur“ mit einem Bachelor-Abschluss.

Erfahrung sammeln!

Abbildung 4: Brutto-Durchschnittsgehalt Fach- und Führungskräfte in Abhängigkeit der Berufserfahrung(Quelle: StepStone GmbH (2018): StepStone Gehaltsreport 2018 für Fach- und Führungskräfte, Düsseldorf, URL: https://www.stepstone.de/ueber-stepstone/wp-content/uploads/2018/02/Stepstone_Gehaltsreport_Fach-und-Fuerungskr%C3%A4fte_WEB.pdf)

Wie entwickelt sich das Gehaltsniveau mit zunehmender Erfahrung? Vor allem Fach- und Führungskräfte in Supply Chain Management und Einkauf profitieren von zunehmender Erfahrung: Hier steigen die durchschnittlichen Jahres-Bruttogehälter um 57,8 % bzw. 60,0 % über den Zeitablauf.  Eine geringe Erhöhung gibt es im Prozessmanagement und in der Disposition mit Steigerungen von 46,2 % und 45 %.

Aber: Gehalt ist nur ein Entscheidungskriterium

Die in den Gehaltsreports ausgewiesenen Daten sind interessante Informationen für Absolvent*innen, die vor der Wahl stehen, in welcher Branche und in welcher Funktion sie denn beginnen sollten. Hier bestehen teilweise erhebliche Unterschiede in den Jahresgehältern.

Andererseits sollte das Jahresgehalt nicht überbewertet werden. Es ist nur ein Entscheidungskriterium von vielen. Aufgabenspektrum und Verantwortungsbereiche, Entwicklungsmöglichkeiten und soziale Absicherung, Teamspirit und gemeinsame Aktivitäten – und natürlich viele Parameter mehr sollten berücksichtigt werden, wenn ein erster oder ein neuer Job gesucht wird.

Datenquellen

Buchempfehlung: Buxmann/Schmidt – Künstliche Intelligenz

Das Thema „Künstliche Intelligenz„, kurz KI (bzw. im englischsprachigen Raum AI für „Artificial Intelligence“), erfährt derzeit eine Renaissance. Nachdem es schon vor Jahrzehnten ein „hot topic“ war, erfährt es nun durch leistungsfähige(re) Algorithmen und einer erheblichen Ausweitung des verfügbaren Datenvolumens einen Aufschwung.

Um sich nicht nur in die Grundlagen der Künstlichen Intelligenz einzulesen, sondern auch anhand konkreter Praxisbeispiele einen Einblick in die Anwendungsmöglichkeiten von KI zu gewinnen, lohnt sich das vor Kurzem von Peter Buxmann und Holger Schmidt herausgegebene Buch „Künstliche Intelligenz – Mit Algorithmen zum wirtschaftlichen Erfolg„, das bei Springer Gabler erschienen ist und mit 206 Seiten Umfang insbesondere auch für Einsteiger und/oder Praktiker einen machbaren Umfang aufweist.

Buxmann und Schmidt gestalten den konzeptionellen Rahmen für die Anwendungsfälle aus der Praxis. Sie gehen zunächst auf die Grundlagen der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens ein, sodass auch ein Nicht-Informatiker einen ersten Überblick erhält. Weiterhin zeigen Sie in Kapitel 2 die ökonomischen Effekte auf, die sich aufgrund einer stärkeren Verbreitung der Künstlichen Intelligenz ergeben.

Die Beispiele für Künstliche Intelligenz in der Praxis nehmen rund Dreiviertel des Buchs ein. Hier erhalten Sie als Leser*in Informationen von vielen der „Big Player“: Darunter finden sich SAP, Amazon, Microsoft, der Software AG, IBM und Volkswagen. Die Beiträge weisen ein überwiegend hohes Niveau auf, ohne so in die Tiefe zu gehen, dass sie nur mit einem Informatik-Studium verständlich wären. Sie lassen sich gut lesen, so dass das Buch als guter und praxisnaher Einstieg in die Materie verstanden werden kann. Einzig die Beiträge von Amazon und Microsoft enttäuschen, weil sie zu oberflächlich sind – hier wäre ein tieferer Einblick wünschenswert gewesen.

Abgerundet wird das Buch von zwei kurzen Kapiteln von Buxmann und Schmidt: Zunächst gehen die Herausgeber auf kritische Aspekte ein, die mit KI verbunden sein können. Abschließend zeigen sie anhand der digitalen Transformationspyramide auf, wie KI zu Wettbewerbsvorteilen führen kann.

Fazit: Ein sehr gutes Einsteigerbuch für Nicht-Expert*innen, die sich sowohl die konzeptionellen Grundlagen als auch einzelne Anwendungsbeispiele aneignen möchten.


Buxmann, P./Schmidt, H. (Hrsg.): Künstliche Intelligenz – Mit Algorithmen zum wirtschaftlichen Erfolg, Berlin, Springer Gabler, 2019.

JOINOLOG proposal officially approved

Yesterday, I received the official approval for our proposed joint research project ‚JOINOLOG‘ by DLR/BMBF. JOINOLOG as an acronym stands for ‚Jordan Innovation Center for Logistics‘. The overall project aims to design and establish such an innovation center in Jordan that leads to focused applied research and the generation and implementation of innovations in the field of research. JOINOLOG will sustainably improve the strengths and competitiveness of the Jordanian logistic innovation ecosystem by research and knowledge transfer in the brought field of logistics, like transport systems or infrastructural measures.

The project is conducted by a consortium led by Fulda University of Applied Sciences. The consortium consists of: German-Jordanian University (GJU), Aqaba Logistics Village (ALV), the Higher Council for Science and Technology (HCST) in Jordan, Speditions- und Logistikverband Hessen/Rheinland-Pfalz e.V. (SLV), and House of Logistics and Mobility (HOLM) GmbH.

The approval applies to the prepartory phase of the project, which starts on 1 November 2018 and has a planned duration of one year. The outcome of the preparatory phase are the organizational structure of JOINOLOG and definition of core processes at JOINOLOG as well as the conditions and governance structures that should enable a better development and transfer of innovations.